Preisträger 2013
Gustav Seibt

 

Auszug aus der Laudatio von Helmut Ahrens

Die Seibts waren keine Familie mit journalistischer Tradition und literaturwissenschaftlichen Neigungen. Gustav Seibts Großvater schrieb als junger Mann gelegentlich für eine Zeitung. Wenngleich: Eher Fingerübungen denn ausgefeilter Journalismus. Seibt stammt aus einer Familie von Juristen und noch früher Pfarrern, aber keine Journalisten.

 

Die Historie jedoch, die Deutsche Geschichte zumal, mit der ist er frühzeitig konfrontiert worden, recht eindrücklich insbesondere mit dem Untergang der Weimarer Republik und mit dem Dritten Reich.


Seibt: "Von da an habe ich mich mit der Vergangenheit beschäftigt und ins Rückwärts gearbeitet."
Von den Wechselfällen, den Überraschungen, den wunderbaren, manches mal wunderlichen Geschehnissen in den Vergangenheiten seines Landes hört der aufgeweckte junge Mann in Konstanz, München, Bielefeld und Rom. Studiert dort Geschichte und Literaturwissenschaft.


Seine Sprache des Wissens, der Bildung besitzt poetischen Klang, ist Literatur. Gelehrsamkeit als Lesevergnügen.
Wer im Bildungsbürger etwas Schales, Gestriges, Mattes, zu sehen glaubt, sollte als Leser dem Autor Seibt begegnen. Ein Publizist: Wach, frisch, wissensdurstig, mit Freude an der Darstellung, am Erklären.


Seit gut zwei Jahrzehnten schon war eine der wichtigsten Stimmen in den Feuilletons der großen deutschen Zeitungen. Von 1987 bis 1996 war er Mitglied der Redaktion der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", Chef der Sachbuchredaktion, dann der Literaturredaktion, ein ebenso hoch gebildeter wie intellektuell gewitzter Stratege im Literaturkampf.

 

Und die Blätter, die er nicht vor den Mund nahm, präsentierte er als Glanzstücke dem Publikum. Ging danach zum „Feuilleton der „Berliner Zeitung“, dann zur Wochenzeitung "Die Zeit", seit 2001 schreibt er als Edelfeder für die "Süddeutsche"(!)  Literaturkritik, Kulturbeobachtungen, Essays zur Zeit.

 

Richten wir also den Blick auf den Zeitungsmann Gustav Seibt:
Es ist in nicht geringem Maß die kluge Subjektivität des gebildeten Feuilletonisten, welche die vielfältigen Arbeiten des Publizisten Seibt so prächtig facettenreich erscheinen lassen. Der Zeitungsmann trägt viele Gewänder: Kommentator, politischer Journalist, gesellschaftskritischer Beobachter, Rhetor, Zeitgeschichtler, Literaturhistoriker, Szenenbeobachter, Flaneur, Forscher, Betrachter des Bürgertums.
So kommentiert Seibt unermüdlich und beständig die gesellschaftlichen und politischen Bewegungen seines Landes
Der Chronist als Aufklärer, der Aufklärer als Erzähler, der Erzähler als Historiker. Gustav Seibts Schriften können durchaus als das Gedächtnis des Bürgertums gelesen werden. Schicht um Schicht untersucht er in seinen Arbeiten behutsam, genau, und gründlich wie ein Archäologe, unsere Bürgergesellschaft. Sie ist für ihn mehr als ein politischer Begriff, mehr auch als das, was Kritiker gerne mit dem Wort „Zivilgesellschaft“ beschreiben.

Wer schreibt schon so luzide, etwa über Preußen oder über Goethe und seine Welt? Wer zeigt uns, dass staunenswert kunstsinnige und sprachverliebte Herz Deutschlands und räsoniert dabei trefflich über den nicht minder erstaunlich großen Gestaltungswillen kleiner, ja kleinster Fürstenhöfe? Kulturkritik, Literaturgeschichte feinsinnig, nicht ohne Noblesse.

 

Der nimmermüde Beobachter Gustav Seibt schreibt im Geiste der Aufklärung. Seine Erkenntnis-, Literatur- und Zeitkritik, seine Schulen des Lesens, seine Geschichtsschreibung, seine Berliner Reportagen und seine gesellschaftskritischen Kommentare sind erhellend, erklärend, humorvoll. Sie vertiefen den Blick und wissen um das Wesentliche. Kurz: Ein Vergnügen.

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